Alles was Sie über Blendgutachten wissen müssen
Was ist ein Blendgutachten?
Ein Blendgutachten ist der Bericht eines Sachverständigen über die zu erwartende Blendwirkung einer Solaranlage. Dieser Bericht umfasst üblicher Weise die Berechnung der Blenddauer, des Zeitpunktes der Blendung sowie die Blickwinkel (z.B. zwischen Reflexionsfläche und Fahrtrichtung).
Das Blendgutachten stellt fest, ob die Blendwirkung für den Verkehr gefährlich bzw. für Anrainer unzumutbar ist. Es kann auch Empfehlungen für blendreduzierende Maßnahmen beinhalten. Das Blendgutachten ist für sich selbst noch nicht verbindlich, sondern wird erst durch die Auflagen der Behörde rechtlich wirksam.
Wer braucht ein Blendgutachten?
Ein Blendgutachten wird oft schon vor dem Bau einer Photovoltaikanlage von der Baubehörde, Straßenmeisterei, Flughäfen oder der Bahn gefordert. Der Errichter von PV-Anlagen sichert sich durch ein Blendgutachten ab und vermeidet damit spätere Klagen von Anrainern oder Verkehrsbetrieben. Vor dem Bau sind die Kosten einer Adaptierung der Planung (z.B. Ausrichtung der PV-Module) gering im Vergleich mit einem späteren Umbau der Anlage.
Auch nach dem Bau der Anlage kann ein Blendgutachten gerichtlich oder behördlich gefordert werden wenn Blendungen Probleme verursachen, um die Dosis der Lichtimmission über den Jahresverlauf darzustellen. Da die Messung der Blendung immer ein Augenblickswert ist, ist die Berechnung des Blendzeitraumes aussagekräftiger als die Messung.
Blendung durch Photovoltaik - Blendung durch Solaranlage - Was ist der Unterschied?
Photovoltaikanlagen und Solar-Thermieanlagen haben hinsichtlich Ihrer Blendwirkung einige Gemeinsamkeiten, wie z.B. die große Glasfläche, die Ausrichtung nach Süden und der Montageort auf Dach oder Freifläche. Solar-Thermieanlagen werden zwar in der Regel etwas steiler aufgeständert, im Prinzip ist aber der Höhenwinkel bei beiden Anlagen frei wählbar.
Im Streulichtverhalten gibt es Unterschiede zwischen Blendgutachten für Photovoltaik und Blendgutachten für Solaranlagen verursacht durch die Oberflächenstrukturierung der verwendeten Gläser und auch der Form des Glases. Da PV-Module oft prismiert sind (auf der Oberfläche befinden sich pyramidenförmige Strukturen) können diese einen größeren Streuwinkel aufweisen als glattes Glas (das bei Solarthermie-Paneelen oft eingesetzt wird). Bei großflächigen Modulen kann es vorkommen, dass das Glas in der Mitte etwas durchhängt, was in bestimmten Situationen das reflektierte Licht konzentrieren kann. Dies geschieht bei großflächigen Solarkollektoren öfters als bei PV-Modulen.
Blendung durch Glasfassade - Blendung durch Solaranlage
Glasfassaden haben eine Blendwirkung, die prinzipiell ebenso wie Solaranlagen zur Absolutblendung führt. Auch bei Glasfassaden wird ein Teil des Lichtes reflektiert, was prinzipiell die gleiche Auswirkung haben kann, wie die Reflexionen von Solaranlagen. Die Zusammensetzung des Glases spielt dabei eine untergeordnete Rolle. Antireflexschichten können Reflexionen etwas reduzieren, was aber meist nicht ausreicht, um Absolutblendung zu verhindern.
Im Unterschied zu PV-Anlagen und Solarthermie-Anlagen sind Glasfassaden aber fast immer senkrecht. Dies kann die mögliche Dauer der Blendung reduzieren, was im Einzelfall aber für jeden Immissionspunkt nachzurechnen ist. Die Beschaffenheit und Tönung des Glases spielt hier keine Rolle, da das Licht schon an der ersten Grenzfläche mit der Luft reflektiert wird.
Unzumutbare Blendung - Welche Kriterien gibt es für die Grenze der Zumutbarkeit?
Da man bei Blendung durch Sonnen-Reflexionen immer von Absolutblendung ausgeht, man den Blick also unweigerlich abwenden muss, spielt die Stärke der Blendwirkung, also die Leuchtdichte keine Rolle bei der Beurteilung der Blendung. Der wichtigste berechenbare Parameter ist damit die Dauer der Einwirkung der Blendung auf den Menschen. In einer Laborstudie sind Mediziner übereingekommen, dass die Grenze der gesundheitlichen Gefährdung bei Einwirkungen von 1 Stunde pro Tag bzw. 60 Stunden pro Jahr angesetzt werden kann.
Nach dem deutschen Bundes-Immissionsschutzgesetze sind Belästigungen für die Nachbarschaft zu vermeiden. In Österreich sind Immissionen in den Bauordnungen der Bundesländer geregelt. Wo die Grenze der Zumutbarkeit liegt wird aber in anderen nationalen Richtlinien festgelegt. In Deutschland definieren die Hinweise zur Messung, Beurteilung und Minderung von Lichtimmissionen der Länder-Arbeitsgemeinschaft für Immissionsschutz (LAI‑2012) die Grenzwerte der Blenddauer mit 30 Minuten pro Tag und 30 Stunden pro Jahr. In Österreich wurden die selben Werte in der OVE Richtlinie R11-3 festgelegt.
Wie wird Blendung gemessen?
Die Leuchtdichte ist das relevante Maß für die Blendung. Sie wird in Candela pro Quadratmeter [cd/m²] gemessen. Die Sonne hat, abhängig von ihrem Stand (Mittag oder Tagesrand), eine Leuchtdichte von 6 Millionen cd/m² bis 1,6 Milliarden cd//m². Die Leuchtdichte der Sonne und ihrer Reflexionen ist also viel größer, als alle anderen bekannten Leuchtdichten (blauer Himmel 8000 cd/m², künstlich beleuchtete Oberflächen einige 100 cd/m², Computermonitor 500 cd/m²).
Auch wenn also nur einige % des Sonnenlichts reflektiert werden, so ist die Leuchtdichte der Reflexionen so hoch, dass sie meist als Absolutblendung einzustufen ist (jenseits der Grenze auf die sich das Auge einstellen kann), was bei langer Einwirkdauer zur Beschädigung der Netzhaut führt.
Welche Daten werden für ein Blendgutachten benötigt?
Für die Blendberechnung werden neben den Daten der Anlage (Standort, Ausrichtung, Größe) auch die Daten des Sonnenverlaufs, der Geländetopographie und des Horizontes benötigt. Das Zusammentragen dieser Daten ist der erste Schritt des Blendgutachtens. Im Falle von spezifischen Behörden-Anfragen oder -Auflagen sind auch Immissionspunkte festzulegen, für die die Blendberechnung durchzuführen ist.
Was tun wenn das Gutachten eine Blendung diagnostiziert?
Für den Fall, dass die Blendberechnung eine gefährliche oder nicht zu vernachlässigende Blendwirkung ergibt, ist die Planung der Anlage so abzuändern, dass deren Auswirkungen reduziert oder ganz beseitigt werden. Das bedeutet, dass Blendungen an kritischen Stellen für den Verkehr ganz zu eliminieren sind und solche von Anwohnern in der Blenddauer so reduziert werden müssen, dass sie unter die vorgeschriebenen Grenzwerte fallen.
Dafür stehen dem Anlagen-Errichter verschiedene Freiheitsgrade zur Verfügung. Einerseits kann der Standort, die Modulbelegung sowie die Höhen- und Seitenwinkel der Module adaptiert werden. Andererseits kann durch die Aufstellung von Abschattungen (z.B. blickdichten Zäunen) die direkte Sichtlinie zwischen Anlage und Immissionspunkt unterbrochen werden und dadurch der Immissionspunkt geschützt werden.
Jakob Zehndorfer ist allgemein gerichtlich beeideter Sachverständiger für Blendgutachten.